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Gut für Reizdarm: Traditionelle Teiggärung macht Brot besser bekömmlich

07. September 2016
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Die Diagnose Reizdarm stellen Mediziner immer häufiger. Die Beschwerden - starke Blähungen - treten besonderes häufig nach dem Essen von Weizenbrot auf. Brot aus Emmer, Einkorn oder Dinkel wird dagegen häufig besser vertragen. Forscher an der Universität Hohenheim sind der Ursache auf den Grund gegangen und haben dabei Überraschendes entdeckt. 

Reizdarm-Patienten vertragen offenbar spezielle Zucker - so genannte FODMAPs, im Weizengetreide nicht. Das sind Zucker, die aus 1–14 Zuckermolekülen bestehen und im Dünndarm nicht ausreichend abgebaut werden können. Daher gelangen sie unverdaut in den Dickdarm und können dort Probleme verursachen. Vor allem bestimmte Mehlbestandteile (Fructane) sorgen dafür, dass sich große Mengen Wasserstoff, Kohlendioxid und Methan bilden. Die Gase blähen den Darm auf und bereiten große Schmerzen. Bei Brot aus alten Getreidesorten Emmer, Einkorn, Dinkel und Durum haben Reizdarm-Patienten dagegen viel weniger Probleme.

Die Hohenheimer Forscher Reinhold Carle und Friedrich Longin untersuchten daher in einem Forschungsprojekt genauer, wie viel FODMAPs in diesen Urgetreiden im Vergleich zu Weizen stecken. Die Überraschung:  Einkorn enthält sogar mehr FODMAPs als Brotweizen. In Emmer, Dinkel und Durum sind sie zwar in geringerer Menge vorhanden, aber nicht in dem Maße, dass sich daraus die von vielen Reizdarmpatienten berichtete Linderung erklären lässt.

Das Rätsels Lösung ist die Art der Teigzubereitung. Die Forscher analysierten aus den Getreidemehlen bereitete Vollkornteige nach einer, zwei, vier und viereinhalb Stunden Gehzeit.  Die höchsten Gehalte an FODMAPs wiesen die Teige bei allen Getreidesorten nach einer Stunde auf, in dem Urgetreide Emmer und Dinkel zwar weniger als in Brotweizen, aber auch dort deutlich mehr als zu Beginn der Teigbereitung. Nach viereinhalb Stunden waren selbst im Teig aus Brotweizen nur noch 10 Prozent der niedermolekularen Zucker enthalten. Die Getreidesorten selbst sind also nicht entscheidend, sondern vor allem die Art der Teigbereitung.

Häufig seien es kleine, traditionell arbeitende Bäckereien, die Produkte aus Urgetreiden herstellen. „Die in der Regel langsamere Brotbereitung im traditionellen Bäckerhandwerk sorgt dafür, dass die Beschwerden verursachenden Bestandteile im Brot bis zum Backen bereits abgebaut sind“, erklärt Prof. Dr. Dr. h.c. Carle vom Hohenheimer Lehrstuhl Technologie und Analytik pflanzlicher Lebensmittel. „Großbäckereien dagegen backen ihre Teiglinge meistens bereits nach einer Stunde Gehzeit. Das ist der Zeitpunkt, an dem nach unserer Analyse die meisten FODMAPs im Teig enthalten sind.“

Und PD Dr. Longin von der Landessaatzuchtanstalt ergänzt: „Nicht der Weizen selbst erscheint uns als unverträglich, sondern die Art und Weise, wie wir daraus Brot bereiten, trägt zu dessen Verträglichkeit bei. Außerdem entfalten sich die Aromen besser. Eine langsamere Teigbereitung erhöht die Brotqualität.“