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Wohin verschwindet Reifenabrieb?

06. August 2021
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Jedes Jahr gelangen jedes Jahr große Mengen Reifenabrieb in den Boden und ins Oberflächenwasser. Was das Material dort anrichtet, ist wissenschaftlich noch wenig untersucht.

Fahrzeugreifen bestehen etwa zur Hälfte aus vulkanisiertem Naturkautschuk oder synthetischem Gummi und enthalten darüber hinaus eine Vielzahl von Füllmitteln und anderen chemischen Zusatzstoffen. "Der Abrieb von Autoreifen ist damit eine der größten Mikroplastikquellen – deutlich vor Faserabrieb, der beim Waschen von Kleidung aus Kunstfasern entsteht", heißt es in der Pressemeldung des Expertennetzwerks des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI).

Reifenabrieb entsteht vor allem bei Beschleunigungs- und Bremsvorgängen. Zwischen fünf und zehn Prozent der Partikel gelangen von der Straße in die Luft und tragen somit zur Feinstaubbelastung bei. Der Weg des weit größeren Anteils von rund 90 Prozent des Reifenabriebes war bisher aber nicht im Detail geklärt. Dieser Frage ging eine Forschungsarbeit des BMVI-Expertennetzwerkes zusammen mit der Bundesanstalt für Straßenwesen und der Bundesanstalt für Gewässerwesen nach.

Demnach gelangen jährlich 60.000 bis 70.000 Tonnen Reifenabrieb in den Boden und 8.700 bis 20.000 Tonnen in Oberflächengewässer. Die
Forschungsarbeiten zeigen, dass es maßgeblich darauf ankommt, wo der Reifenabrieb entsteht: Auf Straßen in Ortschaften und Städten spült Regen den Reifenabrieb über kurz oder lang in die Kanalisation. Handelt es sich um ein sogenanntes Mischwassersystem mit Kläranlage, werden laut der Autoren der Studie mehr als 95 Prozent des Reifenabriebs zurückgehalten. An Straßen außerorts findet die Versickerung der Straßenabflüsse in der Regel über Bankett und Böschung statt. Der größte Teil des Reifenabriebs würde so in den straßennahen Boden eingetragen und von der oberen bewachsenen Bodenzone zurückgehalten. Ca. 12 bis 20 Prozent des Reifenabriebs können in Oberflächengewässern landen. Dort wird ein Teil der Partikel abgebaut beziehungsweise lagert sich im Sediment ab – die genauen Anteile seien allerdings noch nicht bestimmbar. In einer Modellstudie für das Einzugsgebiet der Seine und der Schelde fanden andere Autoren heraus, dass etwa 2 Prozent der ursprünglich freigesetzten
Reifenabriebmenge in das Meer transportiert wird. Für Flüsse in Deutschland liegen noch keine Modellrechnungen vor.  

Obwohl jährlich große Mengen an Reifenabrieb in Böden eingetragen werden, seien die Effekte auf bodenbewohnende Organismen und Wasserorganismen bislang kaum bekannt. Vorsorglich empfehlen das Gremium alle wasserwirtschaftlichen Maßnahmen weiter zu optimieren, die Einträge in Gewässer mindern können. Dazu gehören etwa eine verbesserte Reinigung von Straßenabflusswasser sowie intermodulare Transport- und Verkehrskonzepte (die Kombination verschiedener Transportsysteme wie Straßen-, Schienen- und Binnenschifffahrtsverkehr). Aber auch langlebige abriebarme Reifen, leichtere Fahrzeuge und ein ruhiges Fahrverhalten könnten laut Experten zu weniger Reifenabrieb betragen.