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Gemüse mit Schönheitsfehlern - na und?!

10. Februar 2022
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Zu klein geraten, krumm oder einfach nicht schön geformt - viel Gemüse kommt gar nicht erst in den Handel, weil es nicht makellos aussieht. Das Umweltbundesamt fordert ein Umdenken.   

Größe, Gewicht und Aussehen - der Handel hat genaue Vorstellungen, wie Gemüse auszusehen hat. Um die gewünschten Vorgaben zu erreichen, müssten die Produzentinnen und Produzenten häufig zusätzlichen Dünger, Pflanzenschutzmittel oder Wasser einsetzen, sagt das Bundesumweltamt. Die Produkte, die den Anforderungen dann dennoch nicht entsprechen, würden den Betrieben nicht abgekauft und müssten entsorgt oder einer Zweitverwertung, zum Beispiel als Futter oder Saft, zugeführt werden. "Die Produktionsressourcen, die für die Erfüllung der hohen Anforderungen eingesetzt wurden, sind dann verschwendet worden und belasten unnötigerweise Umwelt und Klima", heißt es in einer aktuellen Publikation der Bundesbehörde.

Fachleute schätzen, dass in Deutschland jährlich zwischen 10 und 30 Prozent des erzeugten Gemüses auf den Feldern verbleibt, wobei hohe Anforderungen des Handels ein wesentlicher Grund dafür seien.  Bei Kartoffeln würden beispielsweise aufgrund optischer Anforderungen und Größenvorgaben rund 30 bis 35 Prozent der ökologisch angebauten und rund 16 Prozent der konventionell angebauten Kartoffeln aussortiert.    

Dazu muss man wissen: Für fast alle Gemüsearten gilt die Allgemeine Vermarktungsnorm der EU für frisches Obst und Gemüse. Diese stellt sicher, dass das Gemüse frei von gesundheitsschädlichen Mängeln ist. Sie stellt aber keine Anforderungen an das äußere Erscheinungsbild und enthält keine Vorgaben für Klasseneinteilungen. Leichte Beschädigungen oder Risse sowie leichte Krankheitsspuren, die zum Beispiel durch produkttypisches Schälen entfernt werden können, sind in der Allgemeinen EU-Vermarktungsnorm erlaubt.

Um trotzdem Gemüse nach Klasse Extra oder I auszeichnen zu können, wenden laut Umweltbundesamt Handelsunternehmen häufig die freiwilligen UNECE-Normen (UNECE 2021) an. Das Gemüse muss dann den strengen Vorgaben dieser Klassen entsprechen. Gurken dürfen dann zum Beispiel nicht gekrümmt sein, Blumenkohl darf keine Farbabweichungen aufweisen, Möhren keine Risse und Formfehler haben, Kohlrabi soll einen Mindestdurchmesser von 10 bis 12 Zentimetern aufweisen und Brokkoli ein Mindestgewicht von 500 Gramm pro Stück auf die Waage bringen.

Damit Obst und Gemüse diese Anforderungen des Handels erfüllt, müsse es häufig zusätzlich mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden. Das gelte zum Beispiel für Kartoffeln, die gegen den gesundheitlich unbedenklichen Silberschorf mit für Wasserorganismen sehr giftigen Fungizid-Wirkstoffen behandelt werden müssen. Auch bei Äpfeln und Birnen seien die hohen Anforderungen an die Optik der Schale häufig nur mit einem zusätzlichen Einsatz an Pflanzenschutzmitteln zu erfüllen. Gemüse, das die Normgröße noch nicht erreicht hat, muss länger auf dem Feld bleiben und unter Umständen kurz vor der Ernte zusätzlich Wasser und Düngemittel bekommen. 

Das Bundesumweltamt fordert daher den Handel daher dazu auf, auf umwelt- und klimarelevante unternehmensspezifische Vorgaben an das Aussehen von Obst und Gemüse zu verzichten.